Zu Rainer Lather: BGE und die Hölle im Paradies (Schlussrunde)

Isa: Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen tappt in die Falle des Geldes. Besser wäre eine andere Verteilung der Arbeit.

Michael R.: Das bedingungslose Grundeinkommen ist der Preis, der bezahlt wird, um die notwendige Umverteilung der Einkommen und Vermögen zu vermeiden. Im übrigen zeugt die Meinung, dass ein BGE zum Saufen bringt, von Überheblichkeit.

Michael H.: Im BGE kehrt das Konzept „Brot und Spiele“ des römischen Kaisertums wieder.

Jan: Zwischen Rainer und Wolfgang R. klafft kein riesiger Graben. Wolfgang lehnt ein BGE nicht kategorisch ab, und Rainer räumt ein, dass es u.a. aus den von Wolfgang genannten Gründen ein Fehlschlag werden könnte: 1. das BGE würde von Regierungen und Wirtschaft benutzt, um sich endgültig der Verantwortung zu entziehen, die das im GG verankerte Sozialstaatsprinzip einfordert; 2. unsere Gesellschaft sei nicht reif für das BGE, weil sie von dem Prinzip ‚So wenig geben und so viel nehmen wie möglich‘ durchdrungen sei. Darauf erwidert Rainer: Welche andere Wahl haben wir? Wir können nicht darauf warten, dass der Mensch „reif“ wird für die bedingungslose Gabe und den geschäftslosen Gebrauch ? Wie soll er reif werden, wenn er gar keine Möglichkeit hat, die dafür nötigen Erfahrungen zu machen? Das BGE schaffe den Raum für solche Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten. Wolfgang müsste andere konkrete Wege benennen, auf denen die von ihm zur Bedingung erhobene Reife erreicht werden könnte. So habe ich Rainer verstanden.“

Anne-Kathrein: Das BGE ist die finanzielle Grundlage für ehrenamtliche Arbeit und Projekte, die anders arbeiten und anders wirtschaften wollen.

Mira: Das BGE verändert die Arbeitswelt, deren Arbeitsweise die Arbeitenden kaputt macht. Mit dem BGE kann ich sagen: Nein! Ich mache den Job jetzt nur noch 30 Stunden statt 40.

Gertrud: Das BGE ist Hilfe zur Selbsthilfe und entspricht dem Prinzip der Subsidiarität.

Tatjana: Die BGE-Debatte wirft die Frage auf: Was bedeutet Schuld? Steckt nicht in beiden Konzepten eine Schuld?

Wolfgang R.: Siebenerlei bleibt hängen:

(1) Bei mir verfestigte sich die Ahnung, dass die BefürworterXinnen des BGE dem Medium „Geld“ eine gleichsam magische Kraft zusprechen, so als ob die Überweisung eines bedingungslosen Geldbetrags von 1.000 Euro das eigene Leben verwandeln würde und dazu noch die Arbeits- und Produktionsweise der gesamten Gesellschaft, nicht zu schweigen von der Verwandlung des gesamtgesellschaftlichen Zusammenlebens – so als ob das Geld selbst eine schöpferische Wirkkraft in sich tragen würde.

(2) Bei mir verfestigte sich die Überzeugung, allen Auffassungen von menschlichem Zusammenleben entgegentreten zu sollen, die das Dasein als je-meines, d.h. mein Dasein als Individuum, abschaffen wollen. Die mich einfügen wollen in einen Superorganismus, für den ich leben und sterben muss und dessen Organ ich bin – nach dem Motto: „Du bist nichts, Dein Superorganismus ist alles!“

(3) Bei mir verfestigte sich die Frage, was die jetztzeitige, bereicherungsgesteuerte Gesellschaft zusammenhalten soll, wenn das Prinzip „Geben-Nehmen-Erwidern, also die Wechselseitigkeit von Leistung und Gegenleistung, aufgelöst wird.

Und was geschehen wird, wenn sich gleichzeitig auch das Prinzip der Subsidiarität, also der Inanspruchnahme von Hilfe nur dann, wenn Selbsthilfe nicht mehr möglich ist, in Luft auflöst? Vielleicht würde dann sichtbar werden, dass die Menschen nichts mehr zusammenhält.

(4) Und was ist das für eine Menschen- und LebensForm, die nicht mehr primär aus-sich-selbst-heraus bestehen will?

(5) Es verfestigte sich die Überzeugung, dass das BGE kann nur funktionieren kann, wenn das „Leben-wollen-aus-eigener Kraft zusammen mit den Anderen“ auf beiden Seiten verinnerlicht ist – wenn also das Geben-Nehmen-Erwidern bei mir und den Anderen „automatisch“ und ohne Zwang von außen abläuft.

(6) Deutlich zeigte sich auch, dass die Forderung nach einem BGE nur die Interessenlage derjenigen (meist MittelschichtlerXinnen) spiegelt, die wissen, was sie machen werden, wenn „your income were taken care of“.

Für die Millionen Kinder und Erwachsenen, die Hilfe benötigen oder nicht wissen, was sie tun werden, wenn für ihr Einkommen gesorgt ist (weil sie weder KünstlerXinnen noch Beruf(ung)salternativlerXinnen sind), wird das BGE eher zur Katastrophe, weil zu seiner Gegenfinanzierung die sozialstaatlichen Leistungen weitestgehend gecancelt werden müssen.

(7) Darüber hinaus ist das BGE schlicht und einfach nicht finanzierbar: Ein BGE von 1.000 Euro pro erwachsenen deutschen Kopf (derzeit 67 Mia Menschen) und 500 Euro pro deutschen Bis-18-Jahre-Kopf (derzeit 7,5 Mia Menschen) kostet schließlich jährlich insgesamt knapp 900 Milliarden Euro – zum Vergleich:

Der Haushalt des „BuMi für Arbeit und Soziales“ umfasst 125,5 Milliarden Euro, das sind unfassbare 42 % des Gesamthaushalts von knapp 300 Milliarden Euro (2015).

(Zum Vergleich: 1000 Euro BGE pro Person wäre in 1-Personen-Haushalten weniger als das Arbeitslosengeld II, das sich incl. KrankenV- und PflegeV auf 1000 bis 1030 Euro plus weitere Vergünstigungen summiert).

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