2 Antworten auf „Anthropologie der Freiheit?“

  1. Vielen Dank, Kirsten, für deine gelungene Zusammenfassung der Diskussionsveranstaltung. Sie vermittelt einen kompakten Eindruck, an welchem Punkt die Fachdebatte zu diesem Thema gegenwärtig steht. Herr Haynes, der Hirnforscher von der Charité, steht offenbar allzu weitgehenden Ansprüchen mancher seiner Fachkollegen, über das Problem der Willensfreiheit abschließend befinden zu können, kritisch gegenüber. Allerdings sehe ich auch eine Schwachstelle in seiner Argumentation (oder deiner Darstellung derselben), und zwar hier:
    „Dass unser Gehirn, wie unser Körper, den Naturgesetzen unterliegt Determinismus-frage), ist kein Argument gegen die Willensfreiheit, denn die Experimente in der Nachfolge Libets zeigen, dass die der Handlung voraus liegende Gehirnaktivität unser Verhalten NICHT determiniert! Die Versuchspersonen konnten ihre Handlungen nämlich noch ändern, der Knopfdruck konnte abgebrochen werden! Insofern liegt auch keine Kausalkette vor. Das Gehirn unterliegt den Naturgesetzen und ist Träger unserer Gedanken, und dennoch gibt es die Möglichkeit, aus der umfallenden Reihe von Dominosteinen einen herauszunehmen und so die Kausalkette zu unterbrechen.“ Die Vertreter einer deterministischen Position können hier die Rückfrage stellen: ‚Was hat denn das Veto, das Herausnehmen des Dominosteins verursacht?‘ Und diese Rückfrage erscheint mir berechtigt.

  2. Was mich immer wundert: In dem Libet-Experiment und in vergleichbaren Anordnungen wird das sogenannte Bereitschaftspotential, also eine ansteigende neuronale Aktivität, gemessen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Gedanken und Entscheidungen (ausschließlich) im Gehirn stattfinden, kann man den Befund auch so deuten: Bevor das Gehirn eine komplexe Operation durchführen kann, z.B. eine bewusste Entscheidung zu treffen, muss es erstmal ein Bereitschaftspotential aufbauen. Das Bereitschaftspotential ist nicht die Entscheidung, sondern höchstens dessen Voraussetzung.

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